Bei der Übertragung von Immobilienvermögen auf die nächste Generation stehen Eigentümer vor einer wichtigen Entscheidung: Soll die Immobilie verschenkt oder verkauft werden? Der entscheidende Unterschied liegt in der steuerlichen Behandlung der Abschreibungsmöglichkeiten.
Bei einer Schenkung greift die sogenannte Fußstapfentheorie. Das bedeutet, der Beschenkte übernimmt die steuerliche Position des Schenkers vollständig. Hat eine Immobilie bereits ihre komplette Abschreibung durchlaufen oder steht nur noch eine geringe Restabschreibung zur Verfügung, kann der neue Eigentümer keine neuen Steuervorteile generieren.
Ein Verkauf hingegen ermöglicht dem Käufer eine neue Abschreibungsgrundlage auf Basis des aktuellen Verkehrswertes. Diese Neubewertung wird als AfA-Step-Up (Abschreibung für Abnutzung) bezeichnet. Voraussetzung ist, dass der Verkauf zu einem fremdüblichen Verkehrswert erfolgt – also zu einem Preis, der auch zwischen unabhängigen Dritten vereinbart würde.
Steuerliche Vorteile durch AfA-Step-Up
Die Attraktivität des Verkaufs liegt in der Möglichkeit, deutlich höhere Abschreibungsvolumen zu nutzen. Besonders bei Immobilien, die über Jahre oder Jahrzehnte an Wert gewonnen haben, entsteht ein erheblicher Steuervorteil.
Nehmen Sie eine Immobilie in Wetzlar, die ursprünglich für eine Million Euro erworben wurde. Durch die Wertsteigerung der vergangenen Jahre beträgt der aktuelle Verkehrswert 2,5 Millionen Euro. Bei einem Verkauf an die Kinder können diese das komplette neue Abschreibungsvolumen von 2,5 Millionen Euro nutzen, während bei einer Schenkung nur die ursprüngliche, bereits weitgehend aufgebrauchte Abschreibungsbasis zur Verfügung stünde.
Die Steuerersparnis kann beträchtlich sein: Ausgehend von einem Steuersatz von 50 Prozent hätten die ursprünglichen Eigentümer über die Jahre 500.000 Euro Steuern durch Abschreibung gespart. Die Kinder könnten bei der neuen Bemessungsgrundlage weitere 1,25 Millionen Euro Steuern einsparen. Die Gesamtersparnis beläuft sich somit auf 1,75 Millionen Euro – obwohl ursprünglich nur eine Million Euro investiert wurde.
Finanzierungsmodell und Zinsgestaltung
Da die Kinder in der Regel nicht über ausreichende Liquidität für den Immobilienerwerb verfügen, gewähren die Eltern typischerweise ein Verkäuferdarlehen. Dieses Konstrukt erfordert eine marktübliche Verzinsung, um steuerlich anerkannt zu werden.
Die aktuellen Zinssätze liegen bei etwa 2,5 bis 3,0 Prozent – deutlich höher als noch vor wenigen Jahren. Diese Zinsen können die Kinder als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen. Gleichzeitig müssen die Eltern die erhaltenen Zinsen versteuern.
Eine wichtige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs besagt, dass bei familieninternen Darlehen zwischen Eltern und Kindern die Abgeltungssteuer von 25 Prozent anwendbar ist. Das Gericht argumentiert, dass Familienmitglieder nicht schlechter gestellt werden dürfen als fremde Darlehensgeber. Diese Regelung verhindert, dass bei den Eltern der persönliche Einkommensteuersatz zur Anwendung kommt, der deutlich höher liegen könnte.
Einkommensverteilung und Steueroptimierung
Das Verkaufsmodell ermöglicht eine strategische Umverteilung der Einkunftsarten innerhalb der Familie. Die Mieteinnahmen fließen nun an die Kinder, während die Eltern Zinserträge und Tilgungsleistungen erhalten.
Diese Umschichtung bringt erhebliche Steuervorteile: Mieteinnahmen, die zuvor mit bis zu 45 Prozent besteuert wurden, werden zu Zinseinkünften mit nur 25 Prozent Abgeltungssteuer. Die Tilgungsraten sind für die Eltern vollständig steuerfrei.
Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Vorteile: Bei einer Mietrendite von fünf Prozent erhalten die Kinder diese Einnahmen, können aber gleichzeitig 2,5 Prozent als Abschreibung (bei einem älteren Gebäude) geltend machen. Zusätzlich sind die Zinszahlungen an die Eltern als Werbungskosten absetzbar. Im Idealfall entsteht bei den Kindern ein steuerlicher Nulleffekt, während die Eltern nur auf die geringeren Zinseinkünfte Steuern zahlen müssen.
Typische Steuerfallen beim Verkauf an Kinder
Trotz der Vorteile lauern verschiedene Fallstricke, die das gewünschte Ergebnis zunichtemachen können. Die häufigste Falle ist die ungewollte Auslösung von Schenkungssteuer trotz vermeintlichem Verkauf.
Zinslose oder zinsgünstige Darlehen führen automatisch zu einer Schenkungsbesteuerung. Das Finanzamt bewertet die nicht erhobenen Zinsen als sofortige Schenkung an die Kinder. Bei einem Darlehensbetrag von einer Million Euro und marktüblichen Zinsen können schnell Schenkungen von über 500.000 Euro entstehen.
Ein weiteres Problem entsteht bei fehlender testamentarischer Regelung. Verstirbt der verkaufende Elternteil ohne Testament, fällt die Darlehensforderung in die gesetzliche Erbfolge. Die Kinder müssen sich dann mit anderen Erben über die Forderung auseinandersetzen, was zu ungewollten Komplikationen führt.
Der Verkauf löst zudem einen Neustart der 10-Jahresfrist für steuerfreie Veräußerungen aus. Während bei einer Schenkung die Besitzzeit des Schenkers übertragen wird, beginnt beim Käufer die Frist neu. Ein vorzeitiger Verkauf kann erhebliche Steuernachteile zur Folge haben.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Aufteilung des Kaufpreises zwischen Grund und Boden sowie Gebäudewert. Nur der Gebäudeanteil kann abgeschrieben werden. In begehrten Lagen wie München oder anderen Ballungsräumen entfallen oft nur 20 bis 30 Prozent des Kaufpreises auf das Gebäude, wodurch der AfA-Step-Up geringer ausfällt als erhofft.
Praktische und rechtliche Aspekte des Immobilienverkaufs
Unabhängig von den steuerlichen Vorteilen muss der Verkauf einer Immobilie sorgfältig vorbereitet werden. Eine professionelle Wertermittlung ist der erste Schritt, um einen marktüblichen Preis zu sichern und steuerliche Fallen zu vermeiden. Zudem sollten alle relevanten Unterlagen, wie der Grundbuchauszug, der Energieausweis und Baupläne, frühzeitig zusammengestellt werden. Der gesamte Prozess, von der Vermarktung bis zum notariellen Kaufvertrag und der Übergabe, erfordert präzise Planung. Auch bei einem Verkauf an die eigenen Kinder gelten diese Regeln, und es ist entscheidend, die Spekulationssteuer zu berücksichtigen. Mehr Informationen zum praktischen Ablauf eines Immobilienverkaufs finden Sie auf anwalt.org.
Voraussetzungen für erfolgreiche Umsetzung
Die steuerliche Anerkennung der Gestaltung steht und fällt mit einer fremdüblichen und zivilrechtlich einwandfreien Vertragsgestaltung. Die Finanzverwaltung prüft Verträge zwischen Familienangehörigen besonders streng.
Ein angemessener Kaufpreis im marktüblichen Rahmen ist essenziell. Sowohl zu niedrige als auch zu hohe Preise können zu steuerlichen Problemen führen. Eine professionelle Bewertung durch Gutachten oder fundierte Vergleichsberechnungen schafft Rechtssicherheit.
Die konsequente Durchführung aller vertraglichen Vereinbarungen ist unerlässlich. Jede Abweichung von den getroffenen Regelungen kann die gesamte Gestaltung gefährden. Dies gilt besonders für die pünktliche Zahlung von Zinsen und Tilgungen.
Bei fortgeschrittenem Alter der Verkäufer besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung die vollständige Tilgung anzweifelt. In solchen Fällen kann die Anerkennung der entgeltlichen Übertragung insgesamt infrage gestellt werden. Eine sorgfältige Vertragsgestaltung mit entsprechenden Absicherungen ist daher unerlässlich.
Alternative Gestaltungsformen
Neben dem direkten Verkauf an die Kinder existieren verschiedene alternative Strukturierungsmöglichkeiten, die je nach Familiensituation vorteilhaft sein können.
Die Einbringung in eine Familienpersonengesellschaft kombiniert die Vorteile des Verkaufs mit flexiblen Übertragungsmöglichkeiten. Ein Teil der Immobilie wird unentgeltlich übertragen, um Freibeträge zu nutzen, während der übersteigende Wert verkauft wird.
Verkäufe an Familienstiftungen oder Immobilien-GmbHs ermöglichen eine noch weitreichendere Steueroptimierung. Familienstiftungen unterliegen beispielsweise nur einem Steuersatz von 15,825 Prozent auf Mieteinnahmen und können nach zehn Jahren weiterhin steuerfrei veräußern.
Bei Personengesellschaften oder Immobilien-GmbHs können anschließend Anteile an die Kinder verschenkt werden. Diese Gestaltung verbindet den AfA-Step-Up mit den Vorteilen einer Schenkung, bringt aber auch spezifische Nachteile mit sich, die sorgfältig abgewogen werden müssen.
Abwägung: Wann Verkauf, wann Schenkung?
Die Entscheidung zwischen Verkauf und Schenkung hängt von den individuellen Zielen der Familie ab. Steht die Einkommensteueroptimierung im Vordergrund, ist der Verkauf meist die bessere Wahl. Liegt der Fokus auf der Erbschafsteuerersparnis, kann eine Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt vorteilhafter sein.
Schenkungen bieten erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile: Der Nießbrauchswert wird vom Schenkungswert abgezogen. Bei einer 55-jährigen Übergeberin mit jährlichen Mieteinnahmen von 30.000 Euro ergibt sich ein abziehbarer Wert von rund 445.000 Euro. Zusätzlich gewährt das Gesetz bei vermieteten Wohnimmobilien einen Bewertungsabschlag von zehn Prozent.
Progressionsvorteile entstehen durch die Verlagerung der Steuerpflicht auf die Kinder, die möglicherweise niedrigere Steuersätze haben. Umgekehrt können Rentner von niedrigeren Steuersätzen bei Nießbrauchsgestaltungen profitieren.
Das Timing spielt eine entscheidende Rolle: Bei aktuell hohen Immobilienwerten und steigenden Zinsen können Verkaufsmodelle besonders attraktiv sein. Die hohen Bewertungen ermöglichen maximale AfA-Step-Up, während die gestiegenen Zinssätze zusätzliche Steuervorteile bei der Zinsbesteuerung schaffen.