Wir befinden uns inmitten einer fundamentalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Verknappung von Ressourcen, Inflationsraten auf Rekordhöhe und eine steigende Zahl an Insolvenzen sind deutliche Indikatoren für grundlegende Verwerfungen innerhalb des uns bekannten Wirtschaftssystems. Maßgeblich verantwortlich für die Währungsstabilität und damit auch für den Werterhalt von Vermögen und Wirtschaftsgütern sind die Notenbanken. Sie können durch ihre Politik die Krise verschlimmern oder deren Folgen auffangen.
Wie ist also die derzeitige Politik der europäischen Notenbank einzuschätzen?
Die Aufgabe einer Notenbank
Die Notenbank für die Europäische Union (EU) ist die Europäische Zentralbank (EZB). Auf deren Website ist zu erfahren, welchen Auftrag sie für sich sieht. Dafür gibt sie folgendes Ziel an:
„Unser vorrangiges Ziel besteht darin, Preisstabilität zu gewährleisten, also den Wert des Euro zu wahren. Preisstabilität ist unabdingbar für das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen – zwei Ziele der Europäischen Union.“
(Quelle: https://www.ecb.europa.eu/ecb/tasks/html/index.de.html, abgerufen am 22.11.2022.)
Preisstabilität und damit der Werterhalt des Euros kann die EZB damit gewährleisten, dass sie die Geldmenge stabil im Verhältnis zur Menge an Wirtschaftsgütern hält. Die hohen Inflationsraten zeigen aber, dass ihr das derzeit nicht gelingt. Das selbst gesetzte Ziel der EZB ist aber auch nahezu unmöglich zu erreichen, denn das Problem steckt im Geldsystem.
Was ist unser Geld wert?
In seiner ursprünglichen Form war Geld eine Art Pfandschein für eine bestimmte Menge an Gütern. In der Geschichte war dies meist Gold oder Silber. Der US-Dollar etwa war in den Jahren 1944 – 1971 direkt an Gold gebunden. Der Wechselkurs für eine Unze Gold betrug damals 35 USD. Das gesetzliche Rahmenwerk dafür war das Bretton-Woods-Abkommen, welches zusätzlich stabile Wechselkurse zwischen dem Dollar und anderen nationalen Währungen garantierte. Auch die Deutsche Mark war ab 1949 Teil des Bretton-Woods-Systems und damit indirekt über den Dollar an Gold gebunden.
Durch diese Bindung einer Währung an ein bestimmtes werterhaltendes Wirtschaftsgut ist eine Preisstabilität möglich, da die Geldmenge dadurch direkt an die Produktivität eines bestimmten Wirtschaftszweigs gebunden ist. Wenn wir uns allerdings den Euro genauer anschauen, so fällt auf, dass es weder auf den Banknoten noch in irgendeinem Gesetz eine genaue Definition seines Gegenwertes gibt. Zwar gab es bei der Einführung der neuen Währung einen festen Wechselkurs mit den ursprünglichen nationalen Zahlungsmitteln. Da diese aber nicht mehr gehandelt werden, ist der Wert des Euro kaum noch zu bestimmen.
Der Geldschöpfungsprozess
Da der Euro nicht mehr an Gold oder ähnliches gekoppelt ist, findet sich sein Gegenwert nur noch im Versprechen einer wachsenden Produktivität in der Eurozone. Ein Euro entsteht heute auf der Grundlage eines Kredits, welchen die EZB einer Geschäftsbank oder einem Staat gewährt. Jedem Guthaben steht damit auch immer eine Schuld gegenüber.
Das Problem der Notenbankpolitik
Da mit der Steigerung der Geldmenge auch immer eine Steigerung der Verschuldung einhergeht, spielt die EZB beim Thema Preisstabilität immer etwas mit dem Feuer. Hinzu kommt, dass sich die Notenbank in der Vergangenheit von der Politik hat instrumentalisieren lassen und unwirtschaftliche Markteilnehmer wie Unternehmen, Banken oder Staaten zu retten. Besonders deutlich wurde dies in der Finanzkrise von 2008 oder in der Griechenlandkrise 2010.
Schon damals hatte die Zentralbank nicht den Mut, die maroden Banken oder Staaten in die Insolvenz gehen zu lassen. Stattdessen wurden diese Institutionen mit billigen Krediten und Subventionen weiter gestützt, was ihre Verschuldung nur weiter aufblähte. Die zusätzliche Geldmenge floss hauptsächlich in Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien, was auch dort die Preise in astronomische Höhen klettern ließ. Der Verbraucher hat von dieser Inflation noch nicht viel mitbekommen.
Doch inzwischen sind auch die Verbraucher- und Erzeugerpreise enorm gestiegen. Die Inflation ist für jeden spürbar. Die EZB steckt jetzt in einem Dilemma. Einerseits ist es ihre Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen, weshalb sie der Inflation Einhalt gebieten müsste. Dies kann sie aber nur, indem sie den Leitzins anhebt und damit sämtliche Kredite teurer macht.
Seit dem März 2016 lag der Leitzins im gesamten Euroraum bei null. Kredite und damit Liquidität waren günstig zu bekommen. Seit Oktober 2022 liegt der Leitzins nach dreimaliger Erhöhung im Jahr 2022 bei 2,0 Prozent. Diese Erhöhung kann die vielen maroden Institutionen, die in den letzten Jahren von der Insolvenz gerettet wurden, in die Zahlungsunfähigkeit treiben. Eine große Insolvenzwelle wird befürchtet. Es spielt also kaum eine Rolle, was die EZB tut, sie wird die Probleme mit den herkömmlichen Mitteln nicht mehr bewältigen können.
Einschätzungen von Ökonomen
Aus diesem Grund hat der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) im September 2022 eine deutliche Warnung veröffentlicht. Der Ausschuss benannte darin drei große Risikogruppen für die Preis- und Finanzstabilität im Euroraum. Dabei können diese Risiken simultan auftreten und einander verstärken. Konkret seien dies die folgenden Probleme:
- Durch die schlechte Konjunktur und die hohen Energiepreise sind Unternehmen einem höheren Insolvenzrisiko ausgesetzt. Mögliche Kreditausfälle könnten Banken belasten.
- Die Preise von Vermögenswerten könnten schnell einbrechen und zu Verwerfungen auf den Märkten führen.
- Der Konjunktureinbruch kann die Profitabilität der Banken stark beeinflussen.
Einbrüche bei Vermögenswerten wie Anleihen, Aktien, Kryptowährungen und Immobilien sehen wir bereits.
Der Ökonom und Vorsitzende der Atlas Initiative für Recht und Freiheit Markus Krall beschrieb die Situation am 04.11.2022 wie folgt:
„Wenn man die Lebensdauer eines anständigen Hurrikans ungefähr mit einer Woche bemisst, dann sind wir – und die Woche startet am Montag – dann ist es jetzt Montagmorgen ein Uhr. … Das ist das Stadium, in dem wir uns jetzt befinden. … Das erste laue Lüftchen kommt an der Küste an. … Die traurige Wahrheit ist aber, dass wir ausgehend auch von den Anleihemärkten, aber nicht nur den Anleihemärkten, jetzt den perfekten Sturm vor uns haben.“
Es ist sehr fraglich, ob die EZB diesem Sturm gewachsen sein wird. Hier finden Sie weiterführende Informationen.
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